Familie Bendit aus Fürth und deren Spiegelfabrik: 


Die Geschichte der Firma „Seligman Bendit & Söhne“ von deren Gründung bis zum Niedergang steht beispielhaft für die Entwicklung vieler Firmen in Fürth in Hinblick auf Industrialisierung und gesellschaftlicher Veränderungen in den letzten 160 Jahren. Die Spiegelglasverarbeitung sowie deren Handel beginnt ab dem Mittelalter; in Fürth hat sie eine lange Tradition – um 1800 wird die Stadt Mittelpunkt des Spiegelhandels und erlebte zum Ende des 19. Jahrhunderts ihre Blütezeit. Das rohe Spiegelglas befand sich meist in Böhmen oder im Bayerischen Wald. Dort wurde in Glashütten das sog. Waldglas hergestellt, danach geschliffen sowie poliert und zu den Spiegelglasfabrikanten in die Stadt geliefert, wo das Glas veredelt (das Glas wurde bis ins 19. Jh. hinein mit Quecksilber oder Zinnfolie belegt) und meist eingerahmt wurde. Es handelte sich hierbei vor allem um Konvex- oder Wölbspiegelgläser. Zu Beginn lag in Nürnberg das Zentrum des bayerischen Spiegelglas- und Spiegelgewerbes, um 1730/1750 wurde die Rahmenherstellung für Spiegel ein geschäftlicher Schwerpunkt in Fürth. Mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dominierte Fürth den Markt.


Die jüdische Firma „Seligman Bendit & Söhne“ (ab 1925 „S. Bendit & Söhne“) wurde 1798 von Seligman Bendit (1746-1819) in Fürth gegründet. 1817 erwarben seine Söhne Abraham und Mayer Bendit ein Grundstück mit einem Wohnhaus am Kohlenmarkt 4 (später Hausnr. 3). Schwerpunkt der Firma war das Handelsgeschäft sowie das Belegen von Spiegelgläsern. Im Jahr 1848 besaßen die Bendits bereits eine Niederlassung in New York und insbesondere durch die dritte Generation um die Brüder Lippmann und Carl Bendit expandierte die Firma ab 1852 und konnte sich auf dem Markt behaupten. Neben Familie Bendit zählte auch die jüdische Firma von Moses Isaak Büchenbacher (Objekt 10 bei „Fürther Glanzlichter“, Schwabacher Str. 32) zu den bedeutenden Spiegelfabrikanten der Stadt. Das Geschäft lief gut und Ende der 1860er Jahre wurde damit begonnen, ein dreigeschossiges Eckgebäude am Kohlenmarkt 3 und der angrenzenden Hirschenstraße 2 zu bauen, das als Wohnhaus und Fabrikgebäude genutzt wurde. Die alten Gebäude wurden zuvor abgerissen; das Eckgebäude steht heute noch. Im Erdgeschoss waren u.a. Geschäftsräume untergebracht; im ersten und zweiten Stock wohnten die Besitzer mit ihren Familien. 1888 erwarb die Familie das Gebäude der angrenzenden Rosenstr. 2, sodass ein Umbau zu einer Spiegelglasfabrik erfolgen konnte. Eine weitere Investition erfolgte mit der Gründung einer eigenen Spiegelglasfabrik in Marktredwitz, um selbst das Rohglas zu produzieren und somit unabhängig von den Glashüttenbesitzern zu sein. In den nächsten Jahrzehnten war die vollständige Unabhängigkeit der Firma das Ziel, um schließlich alle Produktionsstufen von der Herstellung, über die Verarbeitung bis zum Handel innezuhaben. 1913/14 wurde in der Marktredwitzer Fabrik das Flachglas neben Tafel- und Spiegelglas nun auch zu Autoglas- und Schaufenstern verarbeitet.


Mit den Gründungen von fünf Stiftungen (z.B. 1898 Stiftung für notleidende und arbeitsunfähige SpiegelarbeiterInnen, 1916 die Leopold Bendit'sche Stiftung für Kriegsinvalide) zwischen 1897 und 1916 zählte die Familie zu bedeutenden Wohltätern der Stadt; sie engagierten sich auch in der Jüdischen Gemeinde. Seit 1913 erinnert die Benditstraße in der Fürther Südstadt (diese auch „Glasscherbenviertel“ aufgrund ansässiger Spiegelfabriken genannt) an die Unternehmerfamilie. Auch wenn mit dem Ende des Ersten Weltkriegs die Spiegelindustrie in Fürth zunehmend an Bedeutung verlor, stieg „S. Bendit & Söhne“ in der Mitte der 1920er Jahre zu den führenden Spiegelglasherstellern Deutschlands auf und beschäftigte 1929 in Marktredwitz rd. 250 ArbeiterInnen, was den Höchststand an MitarbeiterInnen in der Firmengeschichte darstellte. Zu dieser Zeit trat die fünfte Generation mit Kurt M. (1898-1958) und seinem Bruder Leo H. Bendit (1899-1984) in die Gesellschafterposition ein (dritter Gesellschafter dieser Generation war bereits seit 1912 Philipp Tuchmann, Ehemann von Leo und Kurts älteren Schwester). 


Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 und neuen technischen Innovationen in der Spiegelindustrie, mit denen die Bendit Werke nicht mehr mithalten konnten, wurde zu Beginn der 1930er Jahre ihr Hauptgeschäft mit der Fabrik in Marktredwitz aufgegeben. Seit Anfang 1936 konzentrierte sich der inzwischen als Alleininhaber tätige Leo Bendit – Philipp Tuchmann und Kurt Bendit waren bereits aus dem Geschäft ausgestiegen – u.a. auf die Herstellung von Brillengläsern. Die zunehmende wirtschaftliche, soziale Entrechtung und Enteignung von Juden durch die nationalsozialistische Ausgrenzungspolitik richtete sich auch gegen die Familie Bendit und Leo Bendit versuchte in den folgenden Jahren, die Firma und dessen Liegenschaften zu liquidieren. Als ab Mitte 1938 Juden eine Vermögenserklärung aufgrund der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ abgeben mussten, fasste Leo Bendit den Entschluss, auszuwandern: „Ich bin noch Inhaber des Geschäftes, sehe aber auf die Dauer, nachdem meine Mutter, die Gesellschafterin ist, und ich Juden sind, keine Zukunft für das Geschäft.“1 Durch Leo Bendits Vater, der für einige Jahre als Kaufmann in der Schweiz arbeitete und infolgedessen die schweizerische Staatsbürgerschaft erhielt, besaß auch Leo Bendit einen Schweizer Pass. Als Emigrationsziel lag deshalb die Schweiz nahe, wohin er mit seiner Familie im Oktober 1938 emigrierte. Von dort aus ging die Familie im Mai 1941 über Frankreich und Spanien nach New York. Der Bruder Kurt Bendit wanderte bereits 1935 nach England aus.


Von der Schweiz aus wickelte Leo Bendit die letzten Geschäfte ab, bis schließlich die Firma „S. Bendit & Söhne“ am 23. Dezember 1941 zwangsaufgelöst wurde. Für 45.000 RM musste Bendit die Firma an die Stadt Fürth verkaufen, seitdem wurde es als Amtsgebäude genutzt. Wegen hoher Quecksilberbelastung wurden viele Räumlichkeiten nicht genutzt, bis 1997 befand sich in dem Haus das Standesamt. Nach Sanierung des Vorderhauses ist seit 2005 das Technische Rathaus dort untergebracht.


Carolin Raabe


Quellen: 

1) Bielefeldt, Katrin: Geschichte der Juden in Fürth. Jahrhundertelang eine Heimat, Nürnberg 2005.


2) Heymann, Werner J.: Die Juden im Fürther Wirtschaftsleben, in: Heymann, Werner J. (Hg.): Kleeblatt und Davidstern. Aus 400 Jahren jüdischer Vergangenheit in Fürth, Emskirchen 1990.


3) Müller, Michael: Die Marktredwitzer Glashütte der Firma Seligman Bendit & Söhne, o.O. 2012, online unter: https://www.fuerther-freiheit.info/wp-content/uploads/2012/10/2012-10- 03_glashuette-seligman-bendit.pdf.


4) Müller, Michael: Seligman Bendit & Söhne. Spiegelglas- und Fensterglasfabriken. Aufstieg und Niedergang einer jüdischen Unternehmer-Familie der Fürther Spiegelglas-Industrie, in: Fürther Geschichtsblätter (56. Jg.), Nr. 2/3, 2006, online unter: http://www.geschichtsverein- fuerth.de/index.php/menuetitel2/fgb-download/category/11-fgb-jahrgang-2006.


¹ Müller: Seligman Bendit & Söhne, S. 109. 

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